Wer „nur“ von der eigenen Familie verfolgt wird, hat kaum Chancen auf Asyl

Wer in der Schweiz Asyl beantragt, muss beweisen oder mindestens glaubhaft machen können, dass er in seiner Heimat ernsthafter Gefahr ausgesetzt ist und dass der eigene Staat keinen Schutz gegen diese Gefahr bietet. So könnte man die Bestimmungen zusammenfassen. Seit Jahresbeginn haben wir insgesamt fünf Hilferufe erhalten, wo nur wenig Hoffnung auf Asyl besteht. Alle fünf sind aus ihrer Heimat geflohen, weil sie zwangsverheiratet werden sollten oder weil die Familie gegen den selbst gewählten Partner waren. Alle fünf wurden von ihren Familien deswegen mit dem Tod bedroht, und alle fünf nahmen diese Drohungen so ernst, dass sie den gefährlichen Fluchtweg auf sich nahmen, um in einem sicheren Land Schutz zu suchen. Drei der Betroffenen sind kurdischer Abstammung und kommen aus der Türkei. Ihr Asylgesuch wurde jeweils in erster Instanz abgelehnt.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) argumentiert, die Türkei sei ein sicheres Land. Es gebe dort eine funktionierende Polizei und Rechtsprechung sowie Schutzunterkünfte (Frauenhäuser) etc. Die Gefahr gehe nicht vom Staat oder den Behörden aus, sondern nur von der Familie, also von Einzelpersonen. Ausserdem sei die Türkei gross, und man könne ja in einer anderen Stadt ein neues Leben aufbauen. Das stimmt natürlich. Aber es ist nur die halbe Wahrheit.

Ausser Acht gelassen ist, dass – gerade die kurdischen – Familien sehr gut vernetzt sind. Überall im Land sind weitverzweigte Verwandte und jeder kennt jeden. So ist es auch in einem riesigen Land wie der Türkei quasi unmöglich, unterzutauchen. Gewalt und Ehrenmorde kommen häufig vor, werden aber nur selten geahndet. Die Familien lassen es wie einen Unfall aussehen oder verhelfen dem Täter zur Flucht. Sowieso ist das Opfer schuld an allem. Sie hätte ja nicht weglaufen, nicht die Familienehre beschmutzen müssen…

Das SEM mutet den Betroffenen zu, im Heimatland mit der ständigen Angst zu leben, entdeckt zu werden. Mit viel Glück kann man im Rekursverfahren glaubhaft machen, dass eine Rückkehr unzumutbar wäre. Damit gibt es eine vorläufige Aufnahme. Aber die Chancen sind gering.

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